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MACHT HABEN | Gedanken zu Israel, Auschwitz, Syrien, Dresden und zur Ausstellung
UNI-FORM vom 2. bis 28. Februar in Dresden von Jens Frank

foto jens frank


Auf dem FOTO : Am 11. März 2009 verbrennt eine Gruppe ultraorthodoxer Juden im Jerusalemer Stadtteil Mea Shearim eine Fahne des Staates Israel, den sie ablehnen, weil er nicht vom Messias, sondern von Juden ausgerufen wurde.


In JERUSALEM : Niemand stört sie dabei, niemand stört, dass ich sie offensichtlich fotografiere. Ist das diese einzige immer wieder beschworene und hier praktisch gelebte einzige demokratische Meinungsfreiheit im Nahen Osten?


Im KRIEG : Man sagt, das Erste, was im Krieg stirbt, ist die Wahrheit!
Man sagt auch : Wenn Zwei sich streiten, freut es einen Dritten.


In DRESDEN : Wem nutzt es, wenn Jahr für Jahr Mitte Mitte Februar in Dresden linke und rechte Deutsche und Antideutsche, die an die alliierten Bombardements erinnern wollen, mühsam von der Polizei auseinandergehalten werden müssen? 1969 zitierte das Neue Deutschland eine Äußerung von Marschall Shukow zu Dresden: ‹Eine solche Barbarei hätte die sowjetische Armee nie zustande gebracht.› Dieser Vorwurf diente dem Propagandainteresse der Sowjetunion nach 1945. 1950, kurz nach Gründung der NATO, gab es in der ganzen DDR Dresden-Gedächtniskundgebungen. Das Dresdner Vorbereitungskomitee schrieb: ‹Die Nationale Front des demokratischen Deutschlands kämpft gegen die Zerstörer Dresdens, die Kriegstreiber von heute.› Der sächsische Ministerpräsident Seydewitz rief aus, ‹daß dieselben Kräfte, die damals Dresden sinnlos zerstörten, heute schon wieder von neuem zum Vökermord aufrufen.› 1951, der Korea-Krieg war ausgebrochen, schrieb die Tägliche Rundschau: ‹Der Feuerschein der blutigen Stadt Dresden, der am Ende des Zweiten Weltkrieges den Himmel weithin sichtbar rötete, ließ die räuberische Fratze des amerikanischen Imperialismus, des ärgsten Feindes der Menschheit, heraufleuchten.› Sozialistische Propaganda.


In der TÜRKEI : Im Februar 2013 stehen Deutsche Soldaten an der Syrischen Grenze. Bereit zur Verteidigung ihrer Heimat. So weit weg?


In DEUTSCHLAND wird gegen NPD und Nazis propagandiert. Vor dem II. Weltkrieg wurden die Deutschen gegen Juden aufgehetzt. Könnten sich die Nazis von heute überhaupt organisieren ohne Verfassungsschutz? Wem dienen die Nazis als Sündenbock? Wer verhinderte bisher ihr Verbot? Wer finanzierte Hitler? Warum haben die Deutschen nicht einfach die Juden verboten? Sie hätten nach Palästina auswandern können. Dann wären dem jüdischen Volk die Folgen des Holocaust erspart geblieben. Und den Deutschen.


Die FOTOAUSSTELLUNG UNI-FORM mit israelischen Soldaten, sowie in Israel und im Westjordanland lebenden Palästinensern während und nach dem Gazakrieg fällt mitten in die Zeit zwischen dem 13. und 15. Februar, als vor 68 Jahren britische und amerikanische Flugzeuge soundsoviele Tausend Tonnen Bomben auf die Stadt Dresden warfen und dabei soundsoviele Tode unter der Zivilbevölkerung anrichteten. Historiker beziehen sich auf unterschiedliche Quellen bei ihren Opferzahlen unter der Zivilbevölkerung. Die Zahlen der Toten schwanken zwischen achzehn- und vierhunderttausend Toten. [in Zahlen zwischen 18.000 und 400.000] Der Toten – egal wie vielen – wollen Menschen gedenken. Dürfen.


AUSCHWITZ : Als ich Ostern 2012 im KZ Birkenau auf dem Gedenkstein sah, dass die Zahl der in diesem einen Lager Ermordeten von vier auf etwas über eine Million Menschen korrigiert worden war, nachdem die Sowjetunion zerfiel, hatte mich dieses Zahlenverwirrspiel durcheinandergebracht. Wenige Tage später stieß ich bei meinen Recherchen auf die halbe Million Auschwitztoter von Fritjof Meyer einem leitenden Spiegelredakteur. Der letzte Satz seines kaum beachteten Aufsatzes: ‹Dieses Ergebnis relativiert nicht die Barbarei, sondern verifiziert [bestätigt] sie – eine erhärtete Warnung vor neuem Zivilisationsbruch.›

Ein einziger TOTER ist ein Toter zuviel. Welche Schlussfolgerungen lassen sich aus den MILLIONEN-ABWEICHUNGEN der verschiedenen Quellenangaben im II. Weltkrieg ziehen? Ist der II. Weltkrieg zu lange her? Es gab noch kein Internet, aber Gutenberg war schon erfunden. Und die Deutschen führten akribisch ihre Bücher. Ja, die Bücher sind verbrannt worden oder fristen in Geheimarchiven ihr Dasein. Wer betreibt diese Archive. Mit welcher Absicht bleiben sie dort stehen? Um uns bis heute etwas anderes vorzumachen, was wirklich geschehen war? Ein aktuelleres Beispiel: In Israel wurden vor 4 Jahren die Toten des Gazafeldzuges gezählt. Hier zwei Angaben aus Wikipedia [Stand: 14. Januar 2013, das kann heute schon wieder ganz anders aussehen – ‹nach neuesten Forschungen›] ZITAT : Nach Angaben der palästinensischen Menschenrechtsorganisation PCHR beträgt die Anzahl der getöteten Personen 1417, davon 926 Zivilisten (unter ihnen 313 Kinder und Jugendliche im Alter unter 18 Jahren und 116 Frauen). Nach israelischen Angaben kamen 1166 Palästinenser ums Leben, davon 295 Zivilisten (unter ihnen 89 Opfer unter 16 Jahren). Umstritten ist bei der Zählweise unter anderem die Einordnung von Hamas-Sicherheitskräften wie Polizisten. Israel argumentiert, diese seien Mitglieder einer Terrororganisation. PCHR hingegen vertritt die Position, dass die Hamas in einen zivilen und in einen bewaffneten Flügel gespalten ist und es deshalb illegal sei, Polizisten als bewaffnete Kämpfer einzustufen. Auf israelischer Seite starben drei Zivilisten und 10 Soldaten, vier von ihnen durch Beschuss aus den eigenen Reihen, 84 Israelis wurden verletzt.


Was passiert im Krieg in den KÖPFEN der Menschen? Ich werde den einen israelischen Soldaten nicht vergessen, der gerade aus Gaza zurück kam, ich werde die Eltern nicht vergessen, die ich fragte, warum sie sich vom Beobachtungspunkt, der für die Presse eingerichtet worden war so nah, so live den Krieg ansehen wollten. Sie kamen gerade zurück von den Grenzposten, sie hatten ihren Kindern warme Unterwäsche und Schokolade übergeben, wo sie auf ihren nächsten Einmarsch warteten brachten. Das war Mitte Januar 2009, mitten im Krieg. Ich fotografierte durch Hamas Raketen zerstörte Gebäude in Aschkelon und Sderod hörte die Granateinschläge und die Sirenen nach denen man nur wenige Sekunden Zeit hat, sich zu verstecken. Ich sprach mit einem israelischen Militärpolizisten, der mir sagte, er hätte lieber mit seinen Freunden im Inneren Gazas für die Verteidigung seines Landes gekämpft, und bedauerte, nur an der Grenze zu Gaza eingesetzt worden zu sein wo er mich 4 Stunden zu beaufsichtigen hatte bis klar war, ob ich eine Gefahr für den Staat Israel darstellen würde, weil ich aus Versehen mit einem Linienbus ins Sperrgebiet hineingefahren bin. Als er mich freundlicherweise an einer Bushaltestelle absetzte fragte ich ihn, was er nach seinem Armeedienst tun würde. ‹Musik studieren.›


TAMAR AMAR-DAHL, eine israelische, in Deutschland lebende Historikerin, die zur Zeit am Alfried Krupp Wissenschaftskolleg über das Holocaust-Verständnis im zionistischen Israel forscht, stellte im Januar ihr neues Buch in Greifswald einem sehr zahlreich und interessiertem Publikum vor. Ich hörte aus ihrem Vortrag heraus, dass entscheidend in der Geschichte nicht die Gerechtigkeit ist, sondern ganz klar, wer die Macht hat. Sinngemäß, das wissen wir doch alle. Ich wusste es nicht.


Meine REISEFREIHEIT in Anspruch nehmend gedachte ich nach dem Krieg im März 2009 auch die Menschen im Gazastreifen zu besuchen und zu fotografieren, legte beim israelischen Presseministerium einen schriftlichen Auftrag von einem deutschen Monatsmagazin vor, Passbild, Reisepass, Gebührenüberweisungsquittung, ausgefüllte Onlineanmeldeformulare. Mein Antrag wurde abgelehnt. Ich durfte mir kein eigenes Bild von der anderen Seite machen. In dieser Ausstellung ist also nur eine Seite des Konflikts abgebildet. Von denen, die die Macht haben.





KOMMENTARE
annett:
es ist ganz hervorragend wie du aspekte zusammenbringst, die kaum ein intellektueller so besieht, vllt. gar nicht fähig ist, so zusammenzubringen, weil durch die wissenschaftspraxis der akademien heute vom ersten semester an darauf getrimmt wird, die fragen alle hübsch klein und brav zu unterteilen, für sich zu sezieren und einzeln zu stellen, sich selbst in der herangehensweise durch begrenzung die arbeit zu erleichtern, möglich zu machen.